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So werden Trainings wirksam: vom Wissen zum Können und Dürfen

Wissen ist nicht Können. Das haben wir wohl alle schon schmerzhaft erfahren. Ich kann mir in der Youtube-Universität eine Menge Videos von Stimmtrainern anschauen bis ich weiß, worauf es beim Gesang ankommt. Aber singen kann ich dann nicht. Denn Können braucht zweierlei: beharrliches Üben und die geeigneten Rahmenbedingungen.

Doch alles Üben bleibt wirkungslos, wenn wir nicht wissen, was und wie. So ist es auch in der Kundenkommunikation und in der Beschwerdebearbeitung. Das meiste Wissen erwerben Menschen informell, während der Arbeit und im Privatleben. Sie erleben begeisternden oder abschreckenden Kundenservice und beobachten, was bei anderen funktioniert. Sie schildern es in der Familie und im Büro. Dabei bleibt oft aber eine Lücke: Fehlverhalten von Servicemitarbeitern wird weit häufiger bemerkt als eine brillante Leistung. Und es fällt vielen schwer, aus lausigem Service Handlungsempfehlungen für sich selber abzuleiten. Auch im Kaffeküchengespräch mit Kolleg:Innen kommen oft nur die immer gleichen Vorschläge: freundlich sein, mehr Zeit nehmen, sich um die Kunden kümmern. Doch die greifen zu kurz, denn sie haben weder die Kundenperspektive noch die Schwierigkeiten der Kommunikation im Blick. Für beides gibt es Modelle, die in einem Training vermittelt werden können.

Vom Wissen zum Können: Modelle und Theorien anwenden

Ein Training bietet frische Perspektiven: Meine externe Sichtweise ebenso wie die Kundenbrille. Anders als die Beschäftigten und Führungskräfte im Unternehmen bin ich in der Lage, von außen einen Blick auf den Service zu werfen. Ich weiß nicht, warum ein Prozess so geschaffen wurde, wie er ist, oder warum eine Arbeitsanweisung existiert. Solche Regeln sollen interne Probleme lösen – ich hingegen richte den Blick auf ihre Auswirkungen. Dafür nutze ich die Customer Empathy Map ebenso wie Customer Journey Mapping.

Daneben vermitteln meine Trainings Modelle und Theorien zur Kommunikation und zum Beschwerdemanagement. Wir sprechen über Rollenübernahme ebenso wie über Framing und die Balance zwischen egoistischem und sozialem Ich. Wir beleuchten den CAPA-Prozess im Beschwerdemanagement und wenden das Kano-Modell auf Attribute Maps an. Dabei nutze ich Beispiele aus dem Arbeitsalltag der Teilnehmenden, um die Anwendung dieser Modelle zu zeigen. Wir gleichen die Ergebnisse mit ihren Erfahrungen ab und suchen nach Beispiele und Widersprüchen.

Nicht zuletzt gibt ein Training Raum, Zeit und Impulse zur Reflexion des eigenen Verhaltens. Das fehlt im Arbeitsalltag fast immer. Wir nehmen uns einen oder zwei Tage, um über Themen zu sprechen, die sonst untergehen: Wie wirkt sich das Verhalten der Beschäftigten auf die Kund:innen aus? Was läuft super, was nicht? Welche Werkzeuge gibt es, um im Alltag besser auf andere Sichtweisen einzugehen? Wie schaffen wir das, ohne viel Zeit und Ressourcen zu investieren?

Vom Wollen zum Wissen, Können und Dürfen. Wiebke Wetzel, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 DE

Vom Wissen zum Können: Üben

Im Seminar kann ich das erlernte Verhalten nicht langfristig verankern. Wir alle kennen das: Unmittelbar nach einem Training sind wir motiviert und trotzdem geht alles weiter wie bisher. Denn eine Schulung bietet zu wenig Zeit, um ein neues Verhalten zum Selbstläufer zu machen.

Ein anderes Problem ist, dass im Training alles simulierte Realität ist. Deswegen sind Rollenspiele so unbeliebt: Sie fühlen sich gekünstelt an. Doch sie haben hat neben der fiktiven auch eine authentische Realität: die psychische Wirklichkeit der Akteure (1). Auch andere im Training eingesetzte Übungen haben Bezug zur authentischen Realität, wenn sie treffend gestaltet sind. Ich nutze in meinen Trainings daher oft echte, aus dem jeweiligen Unternehmen stammende E-Mails, die ich für die Übungen minimal anpasse. Mit diesen E-Mails wenden wir die Theorie und die Modelle an. Das ist meist viel schwieriger als mit einem Beispiel vom Reißbrett. Aber auch viel effektiver.

Sie reichen trotzdem nicht, um innerhalb weniger Stunden zum Könner zu werden. Können ist nicht übertragbar, Können müssen wir uns erüben. Ein Trainingsteilnehmer hatte letzte Woche deswegen einen guten Vorschlag für seine Kolleg:innen: „Lasst uns jeden Tag kurz darüber sprechen, wann wir etwas aus dem Training angewendet haben und wie es war.“ Ohne formelles Treffen, einfach nur schnell von Schreibtisch zu Schreibtisch.

Neben dem Gespräch nach dem Training ist auch hilfreich, wenn die Beschäftigten stundenweise als Tandem arbeiten. Dabei erinnern sie sich gegenseitig an das gewünschte Verhalten. Stammen sie aus verschiedenen Teams oder Bereichen, bekommen sie außerdem wertvolle Einblicke in die Arbeit der anderen. Besonders wertvoll ist es, wenn Beschäftigte des Innendienstes bei Vertriebsmitarbeitern mitlaufen (und umgekehrt).

Vom Können zum Dürfen

Meine Grenzen als Trainerin erreiche ich, wenn die Rahmenbedingungen im Unternehmen kein anderes Verhalten erlauben. Denn neben der Person wirkt sich immer auch das Umfeld auf unser Handeln aus. Mark Poppenborg schrieb dazu kürzlich: „Wir tendieren dazu, den Einfluss der Persönlichkeit über- und den des Kontextes unterzubewerten. Das hat gerade in der Wirtschaft Tradition.“

Stimmen die Rahmenbedingungen nicht, so können die Beschäftigten auch mit viel Übung und Meisterschaft nur wenig erreichen. Vor einigen Jahren trainierte ich ein Service-Team in einem mittelständigen Unternehmen. Mein Arbeitsauftrag lautete, die Kommunikation mit den Kund:innen und Kolleg:innen im Vertrieb zu verbessern. Die Vorgesetzte des Teams war im Vorfeld kaum erreichbar. Während des Trainings war sie auf Dienstreise und damit nicht ansprechbar. Meine Alarmglocken schrillten, doch ich konnte mir nicht leisten, den Auftrag abzulehnen.

Die Teilnehmenden des Trainings litten unter der Kommunikation im Unternehmen und warteten begierig auf meine Lösungen. Vertrieb und Service schoben sich beständig gegenseitig die Schuld an Reklamationen zu. Sie wollten den Kunden gerne helfen, doch sie konnten es nicht. Als ich hartnäckig nachbohrte, woher dieses Beharren auf der Schuld der anderen komme, fand ich langsam die Ursache heraus.

Die Vorgesetzte des Service stammte aus der Buchhaltung. Dort müssen alle Kosten den korrekten Kostenstellen zugeordnet werden. Dieses Denken übertrug sie in den Service. Für jede Reklamation mussten die Kosten der Ersatzlieferung einer Kostenstelle des Serviceteams oder der Vertriebsmitarbeiter:innen zugeordnet werden. Alle bemühten sich, diese Kosten loszuwerden. Denn im Vertrieb sank der individuelle Jahresbonus mit jeder Reklamation und beim Serviceteam litt das Ansehen im Unternehmen. Kulanzleistungen waren unter diesen Voraussetzungen fast unmöglich. Eher kämpften die Mitarbeiter:innen mit den Kund:innen um jede Schraube.

Die Beschäftigten im Service litten unter den ständigen Konflikten. Sie wollten gerne etwas ändern, doch ebenso wie ihre Vorgesetzte setzten sie an der falschen Stelle an: Einstellung und Verhalten. Sie übersahen, dass die Rahmenbedingungen ihnen gar kein anderes Handeln erlaubten. Nur wenige Menschen sind bereit, für die Kund:innen gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Denn wer immer wieder gegen die Regeln der Firma verstößt, riskiert langfristig den Job. Beschäftigte mit zu vielen Reklamationen und Kulanzleistungen hatten in diesem Unternehmen keinen Erfolg. Sie standen unter Druck und passten sich an. Am Ende des Tages konnte ich den Beschäftigten nur eines mit auf den Weg geben: Verhandeln Sie mit Ihrer Vorgesetzten, dass Reklamationen nicht mehr individuellen Kostenstellen zugeordnet werden. Denn sie beruhen nahezu nie auf der Arbeit einzelner Beschäftigter.

Trainings als Zynismusförderungsprogramm

Alles Wissen und Können hilft nicht, wenn die Beschäftigten es nicht anwenden dürfen. Dann steht eine Trainerin vor einem vergifteten Auftrag: Die Einstellung von Beschäftigten zu verändern, obwohl die Rahmenbedingungen kein anderes Handeln erlauben. Ein Training wird so zum Zynismusförderungsprogramm. Langfristig zerstören solche Rahmenbedingungen zudem den Willen zur Veränderung. Dann sitzen die Teilnehmenden ein Training unbeteiligt ab.

Mich hat jener Auftrag bewogen, in jedes Angebot eine Zusammenfassung meines Denkens aufzunehmen. In der Hoffnung, in Zukunft keine solchen vergifteten Aufträge mehr zu erhalten.

Quellen

Neben den im Text verlinkten Quellen habe folgendes Buch genutzt:

(1) Bernd Weidenmann (2011): Erfolgreiche Kurse und Seminar. Professionelles Lernen mit Erwachsenen. 8. Auflage, Beltz Verlag. S. 98-99

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Bildnachweis

Photo by Bee Felten-Leidel on Unsplash, Unsplash-Lizenz

3. August 2023

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