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Die Mitarbeiter müssen kundenorientierter werden!

„Die Mitarbeiter müssen kundenorientierter werden!“ So oder ähnlich höre ich es bei Trainingsanfragen. Mit dem Nachsatz: „Können Sie das bewirken?“

Ja, ich kann erreichen, dass die Mitarbeiter die Probleme, Nöte, Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden besser wahrnehmen. Ich kann auch schaffen, dass sie ihr Unternehmen aus deren Sicht betrachten. Und ich kann zeigen, wie sie ihnen das Gefühl geben, dass sie in den richtigen Händen sind. Ich kann den Beschäftigten Spaß an exzellentem Service vermitteln. Nach einem Training sind sie heiß darauf, ihre Kunden zu verzaubern.

Zurück im Büro stoßen sie dann an Grenzen. Denn im Unternehmen ist sonst alles beim Alten geblieben. Das macht ihnen den Kundenzauber schwer. Denn oft liegt es nicht nur an der Kundenorientierung der Mitarbeiter, wenn über den Service gemeckert wird.

TL;DR – Kundenorientierung verbessern kurz und knapp

  1. Kundenorientierung ergibt sich aus den Praktiken und Strukturen im Unternehmen. Die Einstellung der Mitarbeiter ist wichtig, aber nicht ausreichend.
  2. Unternehmen sind Systeme. Die Grundsätze in einem System existieren unabhängig von den Personen. Das ist wie bei einem Brettspiel. Jede Partie wird gleich gespielt, egal, wer am Tisch sitzt. Die Spieler verhalten sich den Spielregeln entsprechend. Weicht jemand von den Regeln ab, fangen die Mitspieler ihn ein: „So funktioniert das nicht.“ Das ist die Immunantwort des Systems.
  3. Wer Kundenorientierung fördern will, muss die Praktiken und Strukturen im Unternehmen ändern. Appelle ohne wirkliche Änderungen sind sinnlos und demotivieren.

Alle meckern über den Service

Es knirscht im Gebälk. Die Kunden meckern. Auch die Kollegen im Vertrieb sagen hinter vorgehaltener Hand, dass der Customer Service den Kunden das Leben schwer mache. So könne man jene, die am Ende das Gehalt zahlten, nicht behandeln. Der Kundenservice klagt, der Vertrieb würde bei den Kunden das Blaue vom Himmel versprechen – und sie müssten ihnen dann beibringen, dass die Zusagen nicht einzuhalten seien. Immer bekämen sie den schwarzen Peter. Sie hätten es leid, sich deswegen mit allen zu streiten.

Gelegentlich eskalieren Fälle zu den Teamleitern, die dann vermitteln. Sie sind es leid, die Scherben aufzulesen. Da muss sich etwas ändern. Bloß wie?

Appelle sind sinnlos

Die gängige Meinung ist: Kundenorientierung ist eine Geisteshaltung. Wenn die Mitarbeiter mehr an die Kundschaft denken, dann handeln sie automatisch kundenfreundlich. Also schallt der Appell durch den Service: Denkt an eure Kunden! Zeigt kundenorientiertes Verhalten! Die Teamleiter hängen Poster mit inspirierenden Zitaten im Büro auf und zeichnen Mitarbeiter für heroische Taten aus. In Besprechungen wird immer wieder auf die Bedeutung der Kunden hingewiesen, wie bei einer gesprungenen Schallplatte.

Aber es zündet nicht. Die Poster nimmt bald niemand mehr zur Kenntnis. Sind keine Chefs anwesend, werden sie zynisch kommentiert. Alle nicken in den Besprechungen, dann verlassen sie ratlos den Raum. Die Beschäftigten bemühen sich resigniert um mehr Kundenorientierung. Untereinander schimpfen sie, denn sie wissen schon, was sie ändern würden. Aber das sind heiße Themen, die ihre Chefs nicht anfassen mögen.

Die Führungskräfte sind ebenso frustriert. Die Mitarbeiter erscheinen ihnen unwillig. Immer wieder meckern sie über Prozesse und Regeln, statt an sich selber zu arbeiten. Das ständige „Ja, aber …“ nervt.

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Eine Trainerin kommt ins Haus, die den Mitarbeitern sagt, wie wichtig es ist, kundenfreundlich zu sein. Sie bringt ihnen gute Formulierungen für Kundengespräche bei. Sie schlägt auch eine Schlichtungsrunde zwischen Vertrieb und Service vor, die sich um Streitfälle kümmern soll, damit sie nicht mehr eskalieren.

Es gibt weiterhin Streit mit dem Vertrieb. Die Schlichtungsrunde bekommt viele Fälle vorgelegt. Die Service-Mitarbeiter grollen, weil die Schlichter immer kulant entscheiden – im Sinn der Vertriebs-Kollegen. Für die hartnäckigsten und lautesten Kunden werden die internen Regeln ignoriert. Wo bleibt die Gerechtigkeit? Ist es fair, wenn einzelne Kunden mehr bekommen? Die Service-Mitarbeiter sind weiter an die Vorgaben im Haus gebunden und dürfen nicht selber kulant sein. Das ist ein Schlag ins Gesicht.

Ein Unternehmen funktioniert wie ein Brettspiel

Jede Firma ist ein soziales System und der Kundenservice ist ein Subsystem. Es gibt Prozesse, Vorgaben und Einschränkungen für das Handeln. In diesem System arbeiten Menschen. Sie passen sich an die Regeln an, die im Unternehmen gelten. Dafür agieren sie zur Not gegen ihre Überzeugung, um ihre Aufgabe zu erfüllen.

Ein Unternehmen funktioniert wie ein Brettspiel. Mitarbeiter passen sich an die Regeln an. Zur Not arbeiten sie gegen ihre Überzeugung, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Klick um zu Tweeten

Die Grundsätze in einem System existieren unabhängig von den Personen. Das ist wie bei „Mensch ärgere dich nicht“. Das Spiel besteht aus dem Spielbrett, den Figuren und Würfeln und der Anleitung. Jede Partie wird gleich gespielt, egal, wer am Tisch sitzt. Die Spieler verhalten sich den Spielregeln entsprechend, auch wenn sie es doof finden, einen anderen zu schlagen. Weicht jemand von den Regeln ab, fangen die Mitspieler ihn ein: „So funktioniert das nicht.“ Das ist die Immunantwort des Systems. Wechseln die Teilnehmer, bleibt das Spiel unverändert. Die menschliche Ebene mag sich ändern, wenn ein neuer Mitspieler besonders schadenfreudig oder mitfühlend ist. Er mag auch besonderes Geschick darin haben, die Spielfigur zu wählen, die er gerade bewegt. Die Regeln, nach denen er das macht, bleiben die gleichen.

So ist es auch in einer Firma. Sie hat Strukturen und Vorschriften, die unabhängig von den Beschäftigten und Führungskräften existieren. Manche der Bestimmungen sind in Arbeitsanweisungen und Richtlinien dokumentiert, andere lernt man von Kollegen. Diese verborgenen Regeln können die Mitarbeiter nicht immer in Worte fassen, sie sind aber ebenso mächtig.*

Im Unternehmen gibt es Rollen, die verschiedene Aufgaben haben. Der Vertrieb muss Aufträge ins Haus holen. Die Firma überlebt ohne Bestellungen nicht, deswegen genießt er oft große Freiheit. Er darf gegen die internen Regeln verstoßen, solange er sich auf Kundeninteressen berufen kann. Der Kundenservice hat oft die Rolle des Korrektivs. Die Mitarbeiter achten darauf, dass der Vertrieb nicht zu weit geht und keine Zusagen macht, die nicht umgesetzt werden können. Wie auf einer Waage wird der Kundenservice umso stärker auf die Einhaltung von Regeln pochen, je üppiger die Angebote des Vertriebs sind. Bewegt sich der Vertrieb nach außen (größere Versprechen an die Kunden), so rückt auch der Kundenservice nach außen (häufigere Hinweise, dass das nicht geht). Das wird dann als fehlende Kundenorientierung interpretiert.

Die Rolle des Korrektivs hat dem Kundenservice niemand explizit übertragen. Sie steht auch nicht in den bekannten Spielregeln: weder im Organigramm, noch in den Stellenbeschreibungen. Sie ist Teil der unausgesprochenen Unternehmenskultur. Es kann sogar sein, dass der Service sich den Part selber zugeschrieben hat, weil sie nicht durch andere besetzt war. Weichen die Beschäftigten von ihrer Rolle ab, dann werden sie von ihren Vorgesetzten darauf hingewiesen: „Warum hast du da nicht eingegriffen?“ Oder „Weshalb hast du mir nicht gesagt, dass …? Das ist die Immunantwort des Systems.

Wer die Regeln ändert, verändert den Kundenservice

Wenn es also nicht nur eine Frage der Einstellung ist, wie kundenorientiert der Service arbeitet, dann wird klar, warum Appelle nichts nützen. Im schlimmsten Fall zerstören sie die Motivation, weil die Mitarbeiter ihr Auftreten ja gerne ändern würden, wenn sie denn dürften. Wenn das neue, gewünschte Handeln, nicht durch die Immunantwort des Systems Firma bekämpft würde.

Veränderung scheitert oft an der Immunantwort im Unternehmen. Wer etwas verändert, wird an die Regeln erinnert. Klick um zu Tweeten

Das Verhalten lässt sich nur ändern, wenn die Praktiken geändert werden. Das sind all die Dinge, die ein Unternehmen macht und die es abwandeln kann, wenn es denn will. Beispiele sind Regeln, Prozesse und Strukturen. Eine Praktik umzustellen ist manchmal schwer und schmerzhaft. Sie werden auch nicht immer die Macht dazu haben.

Niemand kann vorhersagen, was dann passiert, denn Firmen sind komplex. Komplexität unterscheidet sich von Kompliziertheit dadurch, dass man kausale Zusammenhänge bestenfalls erkennt, nachdem man etwas verändert hat. Ein Flugzeug ist kompliziert. Ein Pilot weiß, was geschieht, wenn er auf einen Knopf drückt. Wenn etwas Unerwartetes passiert, dann ist das Flugzeug defekt. Eine Firma ist komplex und die Folgen von Veränderungen sind nicht vorhersagbar. Was in einem Unternehmen erfolgreich ist, kann in einem anderen scheitern. Best Practices, die in jedem Unternehmen funktionieren, gibt es nicht.

Deswegen bietet es sich an, Veränderungen im Kleinen und zeitlich befristet zu testen. Hat der Test unerwünschte Folgen, dann steuern Sie gegen. Wenn Sie in meinem Beispiel den Kundenservice davon befreien, das Korrektiv für den Vertrieb zu sein, dann kann das Nebenwirkungen haben. Es könnte sein, dass der Vertrieb weiter Angebote macht, die das Unternehmen nur unter Schmerzen einhalten kann. Sorgt das im Management für Ärger, dann greifen die Beschäftigten vielleicht im Sinne der Firma korrigierend ein, zur Not heimlich. Denn in der Firmenkultur ist verankert, dass bei zuviel Großzügigkeit jemand gegensteuern muss. Übertragen Sie die Aufgabe nun dem Controlling, dann wird der Streit vermutlich nur verlagert. Eine mögliche Lösung wäre, dass Mitarbeiter im Vertrieb gebeten werden, jede Zusage an Kunden, bei der sie selber Bauchschmerzen haben, mit Kollegen zu besprechen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Das setzt voraus, dass die Unternehmenskultur offene Gespräche unter Kollegen erlaubt.

Der Weg zur Kundenorientierung

Es gibt keine Patentlösung, wie die Mitarbeiter im Service kundenorientierter werden. Denn jedes Unternehmen tickt anders. Die wichtigsten Fragen sind:

  • Was hindert uns heute daran, im Sinne der Kunden zu handeln?
  • Welche Praktiken stehen uns im Weg?

Nehmen Sie sich eine Praktik vor und fragen Sie weiter:

  • Welches Problem wollten wir lösen, als wir diese Praktik eingeführt haben?
  • Wie können wir das Problem anders lösen?

Dann machen Sie ein Experiment mit wenigen Mitarbeitern für eine begrenzte Zeit und sammeln Sie Erfahrungen.

* Für die Mitarbeiter und Führungskräfte einer Firma ist es schwer bis unmöglich, die unausgesprochenen Regeln ihrer Firma zu erkennen und zu deuten. Dabei helfen externe Beobachter und das Werkzeug der verketteten Interviews.

Titelbild von Shirly Niv Marton auf Unsplash, zur freien kommerziellen Nutzung

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Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche,

Ihre Wiebke Wetzel • Kundenzauberin

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