Ja, aber können Sie das nicht für mich machen?
Ein verärgerter Kunde ruft Sie im IT-Support an. „Sie, die Installation des neuen Updates klappt einfach nicht. Der Rechner gibt mir immer eine Fehlermeldung. Unser Administrator ist im Urlaub, den kann ich nicht fragen. Ich bin ein normaler User, kein Computerfreak.“ . Sie antworten „Es tut mir leid, dass Sie mit der Installation Probleme haben. Danke, dass Sie sich bei mir melden. Ich unterstütze Sie gerne dabei.“ Dann finden Sie mit ein paar gezielten Fragen die Ursache heraus. Es ist eine Kleinigkeit – leicht zu lösen. Nach nicht mal 2 Minuten haben Sie die Installation in einfachen Worten Schritt für Schritt erklärt. Sie denken, dass der Kunde das jetzt ohne weitere Hilfe schaffen müsste. Zum Abschluss fragen Sie ihn „Damit sollte die Installation klappen. Kann ich denn sonst noch was für Sie tun?“. Und sind erstaunt, als die Antwort lautet: „Ja aber warum muss ich das jetzt selber lösen? Können Sie nicht einfach jemanden hierher schicken, der die Installation für mich macht? Wir sind schließlich gute Kunden.“ Mit diesem Einwand hatten Sie nicht gerechnet. Und nun?
Wenn Sie so ticken, wie die meisten Menschen, dann erklären dem Kunden die Installation ein Weiteres mal. Sie versichern ihm, dass es wirklich nicht schwierig ist. Wenn Sie es besser erklären, dann wird er das doch sicher schaffen, denken Sie sich. Doch Sie scheitern damit. Der Kunde hat immer neue Einwände, warum Sie das Update machen sollen. Am Ende müssen Sie jemanden kostenlos hinschicken, bevor der Kunde wütend wird.
Warum nur kam dieser Einwand?
Ein Einwand hat selten einen inhaltlichen Grund
Es ist selten so, dass Ihr Kunde Sie nicht verstanden hat. Es kann sein, dass Ihre Lösung ihn fachlich nicht überzeugt, doch dann wird er es meist sagen: „Moment, ich denke nicht, dass die Installation an der Firewall scheitert, denn … .“ Wenn nicht ein solches klares Argument kommt, dann hat er hat wahrscheinlich einen Einwand, weil er sich in dem Gespräch mit Ihnen nicht wohl fühlt. Seine Beziehung zu Ihnen ist gestört. Hier sind einige Gründe, warum.
Der Kunde fühlt sich nicht richtig verstanden
Denken Sie für einen Moment nicht darüber nach, warum der Kunde Sie nicht versteht. Sondern darüber, ob Sie den Kunden verstehen. Seine Erwartungen und seine Sorgen. Ihr Kunde muss sich vielleicht vor Kollegen und Vorgesetzten dafür rechtfertigen, dass er Ihre Software gekauft hat, die jetzt Ärger macht. Zugleich stellt die Kollegin aus Controlling ihm bohrende Fragen zu den Kosten des Supports. Die stellt er sich vielleicht auch selber. Für seine Sorgen braucht er Ihr offenes Ohr. Das will er mit dem Einwand erreichen.
Der Kunde hat nicht genug Selbstvertrauen
Sie sind der Experte, für Sie ist es einfach, ein Update zu installieren. Doch für viele Menschen sind Computer immer noch schwierig zu benutzen, weil die Entwickler selten aus der Perspektive des Nutzers denken. Gerade Fehlermeldungen während einer Installation sind für Anwender oft kryptisch. Die Sorge, etwas falsch zu machen, lässt Ihre Erklärungen verpuffen. Der Kunde ist gar nicht bereit, sie anzunehmen.
Der Kunde vertraut Ihnen nicht
Er hat wahrscheinlich schon oft gehört „Das ist ganz einfach. Sie müssen nur …“ . Wenn es denn nur so einfach wäre. Ein Kunde gibt Ihrer Firma einmal einen Vertrauensvorschuss, nicht zweimal. Haben Sie den schon verbraucht? Oder hat ein früherer Lieferant für Misstrauen gesorgt?
Der Kunde findet die Situation unfair
Wie transparent sind Ihre Regeln? Wie gut wurden sie dem Kunden erklärt? Als Projektleiterin bei der Einführung einer ERP-Software habe ich selbst Regeln erlebt, die für mich nicht einsichtig waren. Wir hatten einen teuren Wartungsvertrag abschließen müssen, damit ein Softwarehaus überhaupt mit uns arbeitete. Dann flatterten ständig Rechnungen vom Support ins Haus. Ich hatte immer große Mühe, das meiner Geschäftsleitung zu erklären. Mit der Zeit wurde ich misstrauisch und hatte immer neue Einwände, wenn das Softwarehaus mich von etwas überzeugen wollte.
Der Kunde empfindet sich als unterlegen und möchte sich behaupten
Mitarbeiter im Kundenservice denken oft, dass Sie am kürzeren Hebel sitzen. Vor allem dann, wenn ein Kunde droht, in Zukunft bei einer anderen Firma zu kaufen. Das Kuriose ist: auch der Kunde denkt bei einer Beschwerde oft, dass er am kürzeren Hebel sitzt. Das wird verstärkt, wenn Sie im Kundenservice sehr professionell agieren. Sind Sie schnell und gut, so überfahren Sie leicht den Kunden (1). Dann kommen Einwände, weil der Kunde sich Geltung verschaffen will.
Eine gute Beziehung ist die beste Vorbeugung
Einwände entstehen oft erst wegen einer gestörten Beziehung zwischen Ihnen und dem Kunden. Die Ursache kann lange zurück liegen. Es kann gut sein, dass gar nicht Sie, sondern ein Kollege den ersten Fehler gemacht hat. Doch es ist Ihre Aufgabe im Kundenservice, die Beziehung zu verbessern. Dazu gehört, dass Sie Ihrem Kunden Zeit und Raum geben, so wird er keine Einwände brauchen, um sich zu behaupten. (2)
Die Sprache ist im Kundenservice Ihr wichtigstes Werkzeug. Vor allem dann, wenn Sie Ihrem Kunden nicht gegenüber stehen. Eine zu perfekte, glatte Sprache stört die Beziehung. Sprechen Sie wie ein Mensch, nicht wie ein Marketing-Roboter. Streichen Sie allzu glatte Floskeln aus Ihrem Wortschatz, nennen sie die Dinge beim Namen. Müssen Sie im Kundenservice Skripte verwenden? Das merkt Ihr Kunde. Skripte machen die Kunden misstrauisch, denn Sie sind zu unflexibel, um auf den Kunden einzugehen. Suchen Sie nach Wegen, trotz eines Skriptes wie ein Mensch zu sprechen. Fragen Sie Ihren Chef, ob Sie das Skript an die Situation anpassen dürfen.
Ein Einwand erledigt selten von selbst, nur weil wir ihn umgehen wollen. Sprechen Sie mögliche Einwände selber offen an. (3) So prüfen Sie, ob der Kunde diesen Einwand hat. Ein Beispiel: „Es könnte sein, dass Sie das Problem mit der Installation haben, weil in der Registry ein falscher Eintrag ist. Viele Kunden scheuen sich, Systemdateien zu öffnen, aus Sorge vor einem Systemabsturz. Geht das Ihnen auch so?“ . Die Antwort wird recht sicher sein „Ja, damit fühle ich mich unwohl.“ Gut, dann wissen Sie jetzt, dass es ein Problem gibt. Und sie können beginnen, es zu lösen. Oder Sie finden einen anderen Weg, dem Kunden zu helfen.
Was tun, wenn dann doch ein Einwand kommt?
Die erste Reaktion ist oft, dass wir einen Einwand entkräften wollen. Es gibt viele Tips von Verkaufsprofis dazu, doch alle haben Sie eines gemeinsam: Sie nehmen den Kunden nicht ernst. Das Ziel ist meist, trotz des Einwandes etwas zu verkaufen. Das funktioniert im Verkauf schlecht und im Kundenservice gar nicht. Einwände sind wie eine Hydra: schlagen Sie einen Kopf ab, dann wachsen ihr zwei neue. Sie rufen nur mehr Einwände hervor und kämpfen am Ende gegen Windmühlen. Folgen Sie im Umgang mit Einwänden besser diesen 5 Schritten:
1. Schritt: Erkennen Sie den Einwand an und schlucken Sie ihre spontane, entkräftende Antwort runter. Es ist zu früh dafür. Mit einem „Sie haben Recht. Ich gehe auch nicht gerne in die Registry.“ zeigen Sie dem Kunden, dass Sie ihn respektieren.
2. Schritt: Prüfen Sie den Einwand. Welchen Grund hat der Kunde für den Einwand? Stellen Sie öffnende Fragen, bis Sie ihn verstehen. Was meint der Kunde genau? Warum hat er diese Sorge? Ist der Einwand nur ein Vorwand, um nicht etwas Härteres sagen zu müssen? Wenn Sie das denken, dann ist es am Besten, das jetzt anzusprechen: „Ich habe den Eindruck, dass Sie mir gerade auf freundliche Weise sagen wollen, dass Sie mit meinem Vorschlag nicht einverstanden sind. Ist das richtig?“
Achtung Falle!
Eine Feststellung ist nicht immer ein Einwand. Wenn ein Kunde sagt „Wow, das ist ein stolzer Preis.“ , dann kann das ganz einfach eine erstaunte Feststellung sein. Oder es ist Taktik – viele Einkäufer haben das in perfektioniert. Daher ist es so wichtig, einen Einwand nicht sofort zu entkräften, z.B. durch einen niedrigeren Preis, sondern ihn erst zu verstehen.
3. Schritt: Hat der Kunde weitere Einwände? Fragen Sie ihn offen, damit Sie wissen, wo Sie stehen. (3)
4. Schritt: Was schlagen Sie vor? Wie können Sie das Problem lösen? Welchen Spielraum haben Sie?
5. Schritt: Ist der Kunde mit Ihrem Vorschlag einverstanden?
Ihr Weg zum Einwand-freien Kundengespräch
Einwände werden Ihnen immer wieder begegnen. Daher ist es Wunschdenken, dass Sie ab jetzt nur noch Einwand-freie Kundengespräch führen werden. Nehmen Sie von nun an jeden Einwand als eine Gelegenheit, herauszufinden, mit welchen Konflikten der Kunde gerade innerlich kämpft. Dann werden Sie innerlich nicht mehr stöhnen, wenn Sie das nächste Mal hören: „Ja aber …“
Dies war der sechste Artikel in meiner Reihe zur Kundenkommunikation.
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Quellen
1 Gabriele Cerwinka & Gabriele Schranz (2009) Wenn der Kunde laut wird. Professioneller Umgang mit Beschwerden. Linde Verlag, Wien.
2 Lothar Stempfle, Psychologie im Verkaufsgespräch. So gelangen Ihre Mitarbeiter zum „Einwand freien“ Kundengespräch
3 Jim Dunn & John Schumann, Common Sense Selling. Erhältlich für Amazon Kindle.
Bild von Gratisography.com, cc zero Lizenz
Danke für diese Artikel. In meiner jetzigen Position kann ich dieses auch meist frei umsetzen und das erfreut auch die Kunden. Das merkt man jeden Tag.
Die Probleme, kommunikationstechnisch, fangen aber dann für den Kunden an, wenn er es mit Konzernen zu tun hat oder mit Support-Teams jenseits der 40 Mitarbeiter. Hier wird die Kommunikationsart vorgegeben, die man nutzen muss, teils wider besseren Wissens. Die Kehrseite der Medaille ist aber das eine Support-Abteilung in den meisten Fällen, kein Geld einbringt sondern nur kostet. Das lassen dann die großen Firmen den Kunden auch spüren, leider.
Hallo Marcel,
ja, in Konzernen und großen Abteilungen haben die Mitarbeiter oft weniger Freiheiten. Ganz schwierig wird es, wenn Skripte vorgegeben sind, von denen sie nicht abweichen dürfen, da die Telefonate zum Teil mitgeschnitten werden.
DAnn hilft nur, das Gespräch mit dem Vorgesetzten zu suchen und zusammen gute Regeln für die Kommunikation zu entwerfen.
Das ist auch in kleinen Teams wichtig. Ich habe mit meinen Mitarbeitern viele Gespräche darüber geführt, wie wir mit Kunden sprechen und wie wir schwierige Fälle bearbeiten. Das kostet Zeit und Energie, doch es ist die wichtigste Aufgabe eines Vorgesetzten im Kundenservice. Wichtiger als KPIs.
Schön, dass Sie in Ihrer jetzigen Stelle die Freiheit haben, die Sie für guten Kundenservice brauchen.
Wiebke Wetzel