„Wer fragt, der führt“ habe ich in Management- und Verkaufstrainings schon oft gehört. Dann folgt, wie man Fragen im Kundengespräch nutzen kann, um einen Kunden dorthin zu bringen, wo man ihn haben will. Wie eine Ochse am Nasenring soll der Kunde nur in eine Richtung gehen: er soll kaufen. Entsprechend lesen sich auch die meisten Blog-Artikel und Bücher zum Thema „Fragen im Kundengespräch“. Ich kann dort über offene und geschlossene Fragen lesen, über die Feedback-Frage und die Abschluss-Frage: „Wollen Sie das Auto in Rot oder in Blau bestellen?“ Der Kunde soll bloß nicht sagen können „Ich will es gar nicht bestellen.“.
Mir stellen sich alle Stacheln auf, wenn ich als Kundin solchermaßen in die Enge getrieben werde. Und wenn ich dann doch kaufe, dann mit einem schlechten Gefühl im Bauch. Das Ergebnis: ich mag das Produkt gar nicht mehr benutzen. So wie das richtig teure Peeling, das ich neulich gekauft habe, weil die Verkäuferin mich mit ihren Fragen in die Enge trieb und kein Nein akzeptierte. Das Peeling ist super, aber noch einmal kaufe ich es sicherlich nicht. In Zukunft werde ich einen weiten Bogen um die Läden dieser Firma machen.
Im Kundenservice kann ich diese Fragetechniken nicht anwenden. Sie sind keine Hilfe bei der Problemlösung.
Führen Sie mit Fragen im Kundengespräch
Ja, das wollen Sie wahrscheinlich. Denn im Kundenservice wollen Sie die Probleme Ihres Kunden lösen. Ihr Ziel ist ein zufriedener Kunde, der gerne wieder bei Ihrer Firma kauft. Dabei müssen Sie den Prozessen Ihrer Firma folgen. Auch sind Ihre Kunden oft weniger erfahren in der Lösung von Problemen mit Ihren Produkten oder Dienstleistungen. Daher ist es gut, wenn Sie mit Ihren Fragen im Kundengespräch führen.
Im Kundenservice müssen Sie Fragen stellen, um:
- Informationen zu bekommen
- das Problem besser zu verstehen und zusammen mit dem Kunden eine Definition des Problems zu entwickeln
- Missverständnisse zu verhindern
Kurz: Fragen helfen Ihnen, das Gespräch zu lenken und gemeinsamen Grund zu finden (1). Sie sind eine wichtige Fähigkeit im Kundenservice, die leider oft übersehen wird.
Fragen öffnen die Tür
Interessieren Sie sich für Ihre Kunden und deren Probleme? Ein Kunde merkt schnell, ob Sie die Antwort auf Ihre Frage wirklich wissen wollen. Dann öffnet er die Tür. Denn eine Frage aus Interesse zeigt dem Kunden, wie wichtig er Ihnen ist. (2) Wenn Sie allerdings nur fragen, um eine Checkliste abzuarbeiten, dann merkt der Kunde, dass er nach Schema F behandelt wird. Solche Fragen passen meist nicht zu seinem Problem.
Kommt dann noch dazu, dass Sie auch Antworten akzeptieren, die nicht zu Ihrer Erwartung passen, dann entspannt Ihr Kunde. Denn dann besteht kein Druck, die in Ihren Augen richtige Antwort zu geben. So muss der Kunde keinen Gegendruck aufbauen, wenn er eine andere Meinung hat als Sie. Verwenden Sie hingegen manipulierende Fragen im Kundengespräch, um die richtige Antwort zu erzwingen, dann schließt Ihr Kunde die Tür.
Seien Sie neugierig!
Akzeptierende Neugier ist eine Geisteshaltung, keine Technik. Seien Sie ein Forscher, der den Kunden und sein Problem verstehen will. Stellen Sie sich zwei Fragen im Kundengespräch: Weiß ich schon genug? Was kann ich von diesem Kunden noch lernen? Die richtigen Fragen fallen Ihnen so von selbst ein.
Lassen Sie den Kunden auch in Ihren Kopf schauen. Gehen Sie vor der nächsten Frage erst auf seine Antwort ein. Denken Sie laut. Gerade im Technischen Support ist das wichtig, um dem Kunden zu vermitteln, wie Sie zu Ihrer Lösung kommen. Dann wird er die Lösung besser akzeptieren. Wenn Sie hingegen undurchschaubar wie eine Sphinx ein Frage-Antwort-Spiel durchführen, um am Ende ein Urteil zu fällen, dann wird der Kunde kein Vertrauen in Ihre Lösung entwickeln können. Zuwenig weiß er darüber, was Sie wie verstanden haben und welche Bedeutung Sie seiner Schilderung beimessen.
Nutzen Sie öffnende Fragen, nicht offene Fragen
Öffnende Fragen sind offene Fragen, mit denen Sie erreichen, dass der Kunde über sein Problem und die Folgen spricht. Zeigen Sie Ihre akzeptierende Neugier durch öffnende Fragen.
Einige Beispiele:
Was ist passiert?
Was bedeutet das für Sie?
Welche Folgen hat das für Sie?
Was hätten Sie gerne anders?
Wie sollte es funktionieren?
Was ist (noch) wichtig für Sie?
Vermeiden Sie dabei, schnell nacheinander mehrere Fragen zu stellen. Dann entsteht schnell der Eindruck, Sie wollten den Kunden verhören. Anstelle weiterer Fragen können Sie auch Aussagen einsetzen:
Das verstehe ich nicht ganz.
Erzählen Sie mir, was passiert ist.
Dazu möchte ich gerne mehr hören.
Das interessiert mich.
Warum? Darum!
Auch wenn Sie gerne mehr über die Beweggründe Ihres Kunden wissen möchten, so vermeiden Sie „Warum?“. Warum hat durch schlechte Erfahrung in der Kindheit für viele Menschen einen kritischen Unterton: „Warum hast du das gemacht? Was hast du dir dabei gedacht?“. Der Kunde fühlt sich daher durch Warum schnell angegriffen. Die Antwort lautet dann vielleicht „Das geht Sie gar nichts an.“. Eine unangenehme Situation ist entstanden.
Anstelle von „Warum wollen Sie das so machen?“ fragen Sie besser: „Was ist Ihr Ziel?“ . Anstelle von „Warum haben Sie sich für dieses Produkt entschieden?“ fragen Sie „Was gab den Ausschlag für dieses Produkt?“ oder „Welche Eigenschaft von diesem Produkt ist für Sie wichtig?“. Mit beiden Fragen werden Sie mehr erfahren, als mit einem einfachen Warum.
Ja — Nein — Vielleicht — Warum?
Geschlossene Fragen erlauben nur zwei Antworten: ja oder nein. Mit geschlossenen Fragen engen Sie den Kunden stark ein. Sie lassen ihm keinen Raum für Erklärungen. Daher kann es kommen, dass der Kunde defensiv wird und der Antwort ausweicht. Vor allem dann, wenn Ihre Körpersprache und Stimme vermuten lässt, dass eine der Antworten schlecht ist. Was denken Sie, wenn Sie jemand fragt „Haben Sie gestern den Kopierer benutzt?“. Mir geht dann durch den Kopf: Mist, habe ich etwas falsch gemacht? Ist er jetzt kaputt? Bin ich Schuld?
Anstelle von „Haben Sie gestern den Kopierer benutzt?“ fragen Sie besser „Ist Ihnen etwas aufgefallen, als Sie den Kopierer zuletzt benutzt haben?“.
Nutzen Sie öffnende Fragen im Kundengespräch
Fragen Sie mit akzeptierender Neugier, so kommen Sie leichter an Ihr Ziel. Denn Ihre Kunden sind zufrieden und fühlen sich gut betreut. Und Sie lernen eine Menge über Ihre Kunden, über den Markt und über Ihre Produkte.
Finden Sie diese Neugier in sich. Sie mag verschüttet sein unter einer Lawine von Aufgaben, Regeln und E-Mails. Vielleicht haben auch Sie früher oft gehört „Sei nicht so neugierig.“. Doch, seien Sie neugierig! Zeigen Sie Interesse an Ihrer Umwelt und an Ihren Kunden. Das wird Ihr Leben bereichern, nicht nur Ihren Kundenservice.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie stets die richtigen Fragen finden.
Ihre Kundenzauberin
Dies war der fünfte Artikel in meiner Reihe zur Kundenkommunikation.
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Quellen
(1) Stephan Proksch, Konfliktmanagement in Unternehmen, Springer Gabler, 2. Auflage 2014
(2) Bernd Weidenmann, Gesprächs- und Vortragstechnik, Beltz Verlag, 4. Auflage 2006
Bild: What? von Véronique Debord-Lazaro, abgedunkelt, unter Creative Commons CC BY-SA 2,0 Lizenz
Das fand ich herrvorragend , leicht zu verdauen
Vielen lieben Dank
Vielen Dank für diesen Beitrag zu Fragen im technischen Kundendienst. Es stimmt wirklich, dass man mit öffnenden Fragen schneller ans Ziel kommt. Ich erwäge gerade, ob ich wieder einen Job im technischen Kundendienst annehme.