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Mit Kritik umgehen ist schmerzhaft

Eine Kundenbeschwerde ist schmerzhaft für jeden Freiberufler und Unternehmer. Schnell fühlt sie sich an, wie Kritik an Ihnen, auch wenn sie oft ganz sachlich gemeint war. Denn wir identifizieren uns stark mit unserem Produkt oder unserer Dienstleistung. Schließlich haben wir unsere Firma mit harter Arbeit ud unserem Wissen aufgebaut. Es steckt Herzblut drin. Obendrein ist der Auftrag in Gefahr und es droht ein finanzieller Verlust. Da ist es schwer, gelassen zu bleiben.

Ebenso schwierig ist es, wenn Sie im Kundenservice arbeiten und ein Kunde sich über Sie beschwert. Nicht über ein Produkt, nicht über die lange Wartezeit, sondern darüber, dass Sie unfreundlich waren. Oder noch schlimmer: über Ihr mangelndes Wissen und Können. Bleiben Sie da mal entspannt und professionell.

Doch es lohnt sich. Denn wer gut mit Kritik umgehen kann, hat beruflich mehr Erfolg. Das zeigte Annette Bruce in Ihrer Dissertation (1). Sie befragte in einem mittelständischen deutschen Unternehmen die Mitarbeiter und Führungskräfte im Vertrieb. Ergebnis: von 20 befragten Vertriebsleitern konnten 16 gut mit Kritik an ihnen umgehen. Dagegen konnten das von 74 befragten Verkäufern nur 32, also weniger als die Hälfte.

Kritik ist immer auch ein Anlass, das eigene Tun zu überprüfen. Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Habe ich einen Fehler gemacht? So gibt Kritik uns die Chance, etwas zu lernen. Wenn sie nur nicht so weh täte.

Warum reagieren wir empfindlich auf Kritik?

Wie wir Kritik empfinden, beruht auf den Erfahrungen, die wir im Leben gemacht haben. Wer schon früh Kritik vor allem als Form der Aggression erfahren hat, fährt bei Kritik schnell aus der Haut. Wer Kritik als versuchte Manipulation kennt, der wird sie schnell von sich weisen. Wer oft durch Kritik abgewertet wurde, möchte sich durch ein schnelles „Du hast ja Recht“ aus der Situation befreien oder rechtfertigt sich.

Dazu kommt, dass ich oft selbst mein schärfster Kritiker bin. Ich habe immer eine kleine Beobachterin im Kopf, die zuhört und alles kommentiert, noch während ich spreche (oder schreibe). Wenn ich kritisiert werde, dann stimmt meine Beobachterin begeistert zu.

Vor einiger Zeit hatte ich mich bei einem Training unwohl gefühlt, weil es ganz anders lief, als geplant. Ich hatte mein Konzept verlassen, wenig Gruppenarbeit gemacht und selber viel geredet. Am Schlimmsten: ich hatte nicht das Gefühl, dass die Trainees die Grundidee verstanden hatten. Bei jedem kritischen Blick zuckte ich innerlich zusammen. Ich wartete schon auf das „Naja, so haben wir uns das nicht vorgestellt.“ Wäre es gekommen, hätte ich wahrscheinlich sehr schnell zugestimmt. Denn ich war ja selber nicht zufrieden. Sie sind wahrscheinlich auch nicht immer vollkommen zufrieden mit Ihrer eigenen Arbeit. Dann reagieren Sie besonders empfindlich auf Kritik.

Manche Menschen sind da ganz anders: sie agieren im Augenblick. Wenn er vorbei ist, dann ist auch aus dem Kopf, was sie gesagt haben. Kritik verstehen sie nicht, weil sie gar nicht bemerken, was sie machen. Daher weisen sie Kritik vehement von sich: „Das stimmt doch gar nicht! Das habe ich nie gesagt.“. Ohne Selbstwahrnehmung nehmen wir Kritik nicht an.

Was hilft uns, Kritik anzunehmen?

Wer wäre nicht gerne gelassen selbstbewusst? Dann ließe sich Kritik viel leichter annehmen. So denken wir alle. Daher lesen wir begierig Tipps, wie wir unser Selbstbewusstsein stärken können. Wir lernen Boxen und Judo, üben schlagfertige Antworten ein, verändern unsere Glaubenssätze und erkennen unsere Talente.

Im besten Fall hilft uns all das wirklich, selbstbewusster zu werden. Dann schmerzt Kritik vielleicht nicht mehr ganz so sehr. Doch das neue Selbstbewusstsein ändert nichts daran, wie gut wir Kritik annehmen, beurteilen und umsetzen. Denn dazu braucht es ganz andere Fähigkeiten (1).

Am Wichtigsten ist sind Aufgeschlossenheit und Veränderungsbereitschaft. Wem sie fehlen, der ist nicht willens, sein Verhalten zu ändern. Den unabhängigen Geistern ist lieber, das alles so bleibt, wie es ist. Denn sie wissen am Besten, was richtig und was falsch ist. Und so prüfen sie Kritik nicht, sondern schieben sie weg. Oder sie fordern den Kunden mit bohrenden Fragen heraus.

Das geschah mir, als ich einem Vermögensberater eine kritische Frage über Diamanten als Geldanlage stellte. Mein Fachwissen war klein und ich hätte mich gerne aufklären lassen. Doch er konterte mit Fragen wie: „Wer sagt das?“ und „Was meinen Sie damit?“. Ich musste mein ganzes Selbstbewusstsein zusammen nehmen, um nicht im Boden zu versinken. Meinem Gesprächspartner fehlte jedoch nicht Aufgeschlossenheit. Das fand ich im weiteren Gespräch heraus. Ihm fehlte die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln: Wie geht es meiner Kundin? Was weiß sie? Was bewegt sie zu der Kritik? Meine kritischen Fragen stellte ich genau aus dem Grund, aus dem er sich für Diamanten entschieden hatte, statt für Gold oder Investitionen in Lebensmittel. Ich wusste nur zuwenig darüber. Am Ende hatten wir ein gutes Gespräch über Werte.

Aufgeschlossenheit, Veränderungsbereitschaft und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel lassen mich die Kritik meines Kunden überprüfen: finde ich sie berechtigt? Haben ich und mein Kunde verschiedene Auffassungen, was richtig und wichtig ist? Akzeptiere ich, dass meine Sicht der Dinge nicht die einzig wahre ist? Dann entscheide ich, ob ich mich, mein Produkt oder meine Arbeit so verändern möchte, wie mein Kunde es gerne sehen würde. Oder ob ich doch lieber auf meinem eingeschlagenen Weg bleibe, weil ich ihn weiterhin richtig finde.

Das klappt jedoch nur dann, wen ich auch bereit bin, einen Konflikt einzugehen. Allzu kooperative Menschen akzeptieren jede Kritik, auch die unberechtigte. Sie lassen sich von anderen Menschen hin und her schubsen. Weil sie Kritik nicht hinterfragen, können sie sie oft nicht umsetzen. Denn sie verstehen den Kern nicht.

Kritik hat stets mehrere Seiten

Der Kern von Kritik ist manchmal schwer zu verstehen. Kritik ist immer eine Nachricht des Kunden an mich. Wie jede Nachricht, hat sie verschiedene Ebenen, die oft nicht ausgesprochen sind. Friedemann Schulz von Thun beschreibt vier wichtige Ebenen (2).

  1. Die Sachebene: Ein Kunde, der Sie kritisiert, findet etwas nicht gut.
  2. Die Selbstoffenbarung: Er erzählt Ihnen etwas über seine Erwartungen, Vorlieben, Bedürfnisse und Probleme.
  3. Die Beziehung: Er zeigt Ihnen auch, wie es um Ihre Geschäftsbeziehung steht und wie er Sie findet.
  4. Der Appell: Und er möchte vermutlich, dass Sie etwas ändern.

Nun liegt es an Ihnen und an Ihrem Kunden, diese vier Botschaften richtig zu verschlüsseln und zu entschlüsseln. Nur wenn Sie beide die gleichen Schlüssel verwenden, reden Sie über die gleiche Botschaft. Wenn nicht, kann es sein, dass Sie aneinander vorbei reden.

Wer empfindlich auf Kritik reagiert, hat oft ein übermässig großes Ohr für die Beziehungsebene oder die Appellebene. Wer Kritik von sich weist, dem fehlt manchmal das Appellohr. Stellen Sie sich vor, Sie treffen mit einem starken Appellohr auf einen Kunden mit starkem Drang zur Selbstoffenbarung. Das muss schief gehen. Übrigens auch, wenn Mitarbeiterin und Chefin so gepolt sind. Das Problem hatte ich lange Zeit mit einer Mitarbeiterin. Wir brauchten lange, bis wir das erkannten. Ab jenem Tag konnten wir produktiver miteinander sprechen.

Mit Kritik umgehen

Sie brauchen also: Aufgeschlossenheit, Veränderungsbereitschaft, die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und genau das richtige Maß and Konfliktbereitschaft. Gepaart mit ausreichender Selbstwahrnehmung, damit Sie Ihr Verhalten reflektieren können. Plus das Wissen, auf welcher Ebene Ihr Kunde und Sie miteinander kommunizieren.

Ganz einfach, oder? Das klingt mehr nach einer Lebensaufgabe.

Bis Sie diese gemeistert haben, probieren Sie bei einem kritischen Kunden Folgendes: Wechseln Sie den Hut. Verlassen Sie die Rolle dessen, der kritisiert wird, übernehmen Sie die Rolle eines Service-Mitarbeiters. Das schafft emotionale Distanz. Dann sagen Sie die drei magischen Sätze:

„Es tut mir leid, dass das passiert ist. Ich verstehe, dass Sie sich ärgern. Danke, dass Sie so offen mit mir sprechen.“

Und dann kümmern Sie sich um das Anliegen des Kunden.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie stets nützliche Kritik erhalten.

Ihre Kundenzauberin

Wiebke Wetzel

PS: Unsachliche Kritik kann einen sachlichen Grund haben. Wenn Gefühle wie Ärger und Enttäuschung ins Spiel kommen, dann werden auch Kunden mal unsachlich. Denken Sie kurz darüber nach: was hat den Kunden zu der Kritik bewogen? Fragen Sie nach, ob Sie etwas falsch gemacht haben. Dann überlegen Sie, was Ihre Grenze ist. Ein Kunde, der mich mal als Rassistin bezeichnete, hatte diese Grenze überschritten. Er bekam nur noch eine Antwort: „Bitte suchen Sie sich einen anderen Lieferanten.“ Das gleiche mit Trollen im Netz. Hier gilt die strikte Regel: Trolle nicht füttern!

 

 

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Quellen

(1) Annette Bruce (2206): Kritikkompetenz im Management. Der Einfluss der Kritikkompetenz auf den beruflichen Erfolg von Führungskräften. Dissertation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln.

Diese Quelle ist die einzige wissenschaftliche Untersuchung zur Kritikfähigkeit im Beruf, die ich finden konnte. Die Ergebnisse können nicht mit Sicherheit verallgemeinert werden, denn alle befragten Personen arbeiteten an deutschen Standorten der gleichen Firma (die nicht namentlich genannt ist). Das Ergebnis kann daher von der Unternehmenskultur dieser Firma beeinflusst sein. Die Autorin verwendete zur Datenerhebung 360° Fragebögen, sowie Fragebögen zur Selbsteinschätzung.

(2) Friedemann Schulz von Thun (2010): Miteinander reden: 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 48. Auflage

 

Titelbild: modified from Dmitry Kopytin | Shareheads, Can’t fool the flyswatter

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