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Kundenzufriedenheit messen: so geht es

Kennzahlen oder Key Performance Indicator (KPI) sind im Kundenservice so wichtig, wie in jedem anderen Bereich eines Unternehmens. Denn nur was gemessen wird, findet im Management* Beachtung und nur daran wird gearbeitet. Wenn also die einzigen Kennzahlen, die es zu Ihrem Kundenservice gibt, Kosten und Mitarbeiter-Fluktuation sind, dann wird Ihr Kundenservice im Unternehmen schnell als Belastung wahrgenommen, nicht als wichtiger Bestandteil. Und dann droht der Rotstift, sobald es im Unternehmen eng wird. Zeigen Sie dem Management, dass Sie Mehrwert für das Unternehmen schaffen. Sorgen Sie dafür, dass nicht nur über die Finanzen gesprochen wird, sondern auch über die Kunden. Sonst bestimmen alleine Umsatz und EBIT(A) die Strategie des Unternehmens .

Überzeugt? Aber Sie wissen nicht, mit welcher Kennzahl Sie das Management auf sich aufmerksam machen? Dann lesen Sie weiter.

Sie erfahren in diesem Artikel:
1. Wie Sie Kundenzufriedenheit messen
2. Wie Sie diese Kennzahlen an das Management berichten und strategisch einsetzen
3. Was Sie brauchen, um diese Kennzahlen zu messen
4. Wie Sie diese Kennzahlen berechnen

Messen und berichten Sie nicht wahllos alles

Eine Kennzahl an das Management zu berichten, ohne einen Plan zu haben, ist gefährlich. Allzu schnell werden sie falsch interpretiert und das Schiff steuert in die falsche Richtung. Bedenken Sie: jede größere Veränderung einer Kennzahl, die Sie berichten, zwingt das Management zum Handeln. Denn das Management hat die Verantwortung, den Kahn zu steuern. Kennzahlen geben ihnen das Gefühl, etwas kontrollieren und damit beeinflussen zu können. Und das werden sie machen.

Kennzahlen, die Sie berichten, werden mindestens zwei Hierarchie-Ebenen über Ihnen wahrgenommen und diskutiert. Sie können so aus gänzlich unerwarteter Richtung Fragen zu Ihren Kennzahlen bekommen. So geschah mir beim Verkauf eines Firmenbereichs, in dem Kennzahlen, die ich berichtet hatte, über die Zahl der Arbeitsplätze entschieden, die abgespalten wurden.

Bei jeder Kennzahl, die Sie berichten, überlegen Sie sich daher vorher:

  • Warum berichte ich diese Zahl? Was möchte ich damit sagen?
  • Was sagt es mir, wenn die Zahl sinkt oder steigt? Wie wird das Management eine Veränderung interpretieren?
  • Was werden wir machen, wenn die Zahl sinkt oder steigt?
  • Gibt es einen kritischen Wert, den die Zahl nicht übersteigen (oder unterschreiten) darf?
  • Haben wir ein Ziel? Gibt es Vorgaben des Managements?

Und ganz wichtig:

  • Was sind unsere Prioritäten? Wie ist die Kennzahl in die Strategie meines Unternehmens eingebettet?

Erst, wenn Sie auf alle diese Fragen eine Antwort haben, berichten Sie Ihre Zahlen nach oben.

Kundenzufriedenheit messen: strategische Kennzahlen im Kundenservice

Strategisch wichtig sind jene Kennzahlen, mit denen Sie die Kundenzufriedenheit messen. Dazu jene operativen Kennzahlen, die Ihnen helfen, das Feedback der Kunden zu verstehen. Wenn Ihre Kunden unzufrieden sind, weil sie lange auf eine Antwort auf eine E-Mail warten müssen, dann sind die passende operative Kennzahlen die Zeit bis zur ersten Antwort und die Zeit, bis Sie eine Anfrage gelöst und abgeschlossen haben.  Alle anderen operativen Kennzahlen sind nicht relevant für das Management.

Kundenzufriedenheit und Kundenbegeisterung messen Sie, indem Sie Ihre Kunden fragen. Dafür werden Sie die Erlaubnis des Managements und des Marketings brauchen. Damit setzen Sie sich selber unter Druck, auch Zahlen zu liefern. Und Sie sind dem Druck ausgesetzt, dass das Marketing auch gerne einige Fragen stellen möchte. Leisten Sie Widerstand! Lassen Sie nicht zu, dass die Fragen zur Kundenzufriedenheit mit Marketing-Fragen vermischt werden. Das lässt den Fragebogen ins Endlose wachsen und die Antwortrate gen Null sinken. Und es wird die Kunden irritieren. Eine Umfrage zur Kundenzufriedenheit muss kurz und knackig sein. Sie ist für sich genommen schon eine Marketing-Maßnahme. Denn sie zeigt den Kunden, dass Ihnen ihre Meinung wichtig ist.

Lassen Sie auch nicht zu, dass die Fragen verwässert werden, um ein allgemeines Stimmungsbild unter den Kunden abzufragen. Fragen Sie nur nach der Zufriedenheit mit dem Kundenservice, nicht nach den Produkten, dem Vertrieb und all den anderen Bereichen der Firma. Nur auf konkrete Fragen bekommen Sie konkrete Antworten. Wenn die Kollegen aus dem Marketing gerne andere Fragen stellen möchte, sollten sie einen eigenen Fragebogen schicken. Nur, stellen Sie gemeinsam sicher, dass Sie nicht in kurzer Zeit dem gleichen Kunden zwei Fragebögen schicken. Pflegen Sie gemeinsam eine Quarantäne-Liste derer, die in den letzten 3 Monaten befragt wurden. Sonst sinkt die Antwortrate gegen Null.

Zufriedene Kunden sind nicht begeisterte Kunden

Kunden sind zufrieden, wenn der erlebte Kundenservice ihre Erwartungen erfüllt. Beides, was die Kunden erwarten und wie sie ihre Erfahrungen bewerten, ist sehr individuell. Ebenso individuell ist, wie wichtig sie es finden, wenn der Kundenservice ihre Erwartungen nicht trifft. Unzufriedenheit entsteht, wenn Sie die Erwartungen der Kunden in wesentlichen Punkten nicht erfüllen.  Dann hilft auch kein Bemühen, den Kunden in einem anderen Moment zu begeistern. Wenn Sie Ihre Anrufer regelmässig für 5 Minuten in der Warteschleife schmoren lassen, dann freut sich kein Anrufer mehr über ein kleines Geschenk.

Begeisterung kann entstehen, wenn Sie die Erwartungen des Kunden übertreffen. Kann, nicht muss. Ein Beispiel: eine der wichtigsten operativen Kennzahlen im Kundenservice ist der Service Level: wie hoch ist der Anteil der Anrufe, die Sie innerhalb von 30 Sekunden annehmen? 30 Sekunden ist eine lange Zeit, in der ein Telefon etwa 6-mal klingelt. Wenn Sie oft langsamer sind, als 30 Sekunden dann sind Ihre Kunden wahrscheinlich unzufrieden. Wenn Sie aber jedes Telefonat nach 3-mal Klingeln annehmen, dann sind Ihre Kunden zufrieden. Wenn Sie schon nach einmal Klingeln abnehmen, bleiben sie zufrieden. Sie sind aber nicht begeistert (es sei denn, sie sind viel Kummer gewöhnt). Um Kunden zu begeistern, ist es also wichtig, dass Sie in den richtigen Momenten etwas Besonderes machen.

Weil Zufriedenheit und Begeisterung nicht das gleiche sind, können Sie es auch nicht mit der gleichen Kennzahl erfassen, sondern Sie brauchen zwei: Den Customer Satisfaction Score (CSat) und den Net Promoter Score (NPS). Dafür, wie einfach (oder aufwendig) es Ihre Kunden finden, eine Anfrage mit Ihrem Kundenservice zu lösen, gibt es eine dritte Kennzahl: den Customer Effort Score (CES).

Wie aufwendig war es für Sie, Ihre Anfrage mit unserem Kundenservice zu lösen? Der Customer Effort Score (CES)

Matthew Dixon, Karen Freeman und Nicholas Toman veröffentlichten  2010 einen Artikel in der Harvard Business Review, der Aufsehen erregt: „Stop trying to delight your customers.“ (1). Die Autoren hatten 75.000 Kunden befragt, die über Telefon den Kundenservice verschiedener B2C und B2B-Unternehmen kontaktiert hatten, und kamen zu dem Schluss:

„Kunden zu begeistern bindet sie nicht an das Unternehmen; den Aufwand zu verringern, den es sie kostet, eine Lösung für ihr Problem zu bekommen, das  bindet sie.

[…] delighting customers doesn’t build loyalty; reducing their effort—the work they must do to get their problem solved—does.

Das ist ein wichtiger Zusammenhang: wenn wir es für unsere Kunden schwierig machen, mit uns zu arbeiten, können wir sie nicht begeistern. Erst müssen wir Loyalitätskiller aus unseren Prozessen entfernen. Wir kennen sie alle: hin- und her- verbunden werden, den Grund meines Anrufs immer wieder erklären müssen, lange Auswahlmenüs am Telefon, sehr lange Wartezeiten, eine 08/15-Antwort auf meine E-Mail, die leider meine Frage nicht beantwortet, und so weiter. Der Customer Effort Score deckt schlechte Prozesse und Silodenken auf.

Der Customer Effort Score ist in manchen Bereichen, wie dem technischen Support eine schwierig zu nutzende Kennzahl. Denn dort wird oft die Mitarbeit des Kunden gebraucht, um ein Problem zu lösen. Das ist für den Kunden manchmal viel Arbeit und nicht immer sind sie glücklich darüber. Rechnen Sie im technischen Support daher mit einem deutlich schlechteren CES, als im Kundenservice.

So messen Sie den Customer Effort Score

Fragen Sie Ihre Kunden: „Wie aufwendig war es für Sie, Ihre Anfrage mit unserem Kundenservice zu lösen?“

Der Customer Effort Score verwendet eine Skala von 1-5, wobei 1= sehr einfach und 5= sehr aufwendig ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, können Sie die Skala mit Begriffen einteilen, statt mit Zahlen von 1-5: sehr einfach — einfach — teils einfach/ teils aufwendig — aufwendig — sehr aufwendig

Vergleichswerte

Der Customer Effort Score ist noch keine allgemein verwendeter Kennzahl.  Auch habe ich Anleitungen gefunden, nach denen 1= sehr schwierig und 5= sehr einfach gesetzt wurde. Daher ist der Vergleich mit anderen Firmen oder über eine gesamte Branche hinweg zur Zeit nicht so einfach möglich. Vergleichswerte habe ich bei meiner Recherche nicht gefunden.

Wenn Sie den Customer Effort Score für Ihre Abteilung messen, so achten Sie nicht nur auf den Mittelwert, sondern auch auf die Bandbreite der Antworten. Gibt es häufig Antworten mit 1 und 5? Dann erleben Ihre Kunden eine Lotterie: mal ist ist es einfach für sie, eine Lösung zu bekommen, mal ist es schwierig. Kunden erleben nicht Mittelwerte, sondern einzelne Ereignisse. Bei vielen Antworten mit 1 und 5 sollten Sie unbedingt den Grund finden, warum es für einige Kunden einfach ist und für andere schwierig, mit Ihnen zu arbeiten. Dann verbessern Sie Ihre Prozesse oder trainieren Sie die Mitarbeiter.

Wie zufrieden waren Sie mit unserem Kundenservice? Der Customer Satisfaction Score

Jetzt wissen Sie, wie einfach Ihre Kunden es finden, mit Ihnen zu arbeiten. Sie wissen noch nicht, ob Sie auch mit dem Ergebnis zufrieden sind. Die Kundenzufriedenheit messen Sie mit der Frage „Wie zufrieden waren Sie mit unserem Kundenservice?“.

Die Skala geht üblicherweise von 1 bis 5 oder von 1 bis 10, wobei 5 oder 10 mit sehr zufrieden gleichgesetzt wird. Wieder empfiehlt es sich, die Skala mit Begriffen einzuteilen, statt mit Zahlen: sehr unzufrieden — unzufrieden — teils unzufrieden/ teils zufrieden — zufrieden — sehr zufrieden. Ansonsten kann es passieren, dass ein Kunde nach dem System der deutschen Schulnoten bewertet und eine „tolle“ 1 vergibt.

Manche Unternehmen arbeiten mit einem komplexen Kundenzufriedenheitsindex. Hierfür stellen Sie weitere Fragen zu den Details der Interaktion mit dem Kunden, zum Beispiel wie zufrieden er mit der Zeit bis zur ersten Antwort ist. Zu jeder der Fragen lassen Sie den Kunden ausserdem angeben, wie wichtig ihm das ist. Die Punktzahl multiplizieren sie mit der Wichtigkeit und addieren diese für alle Antworten auf:

customer satisfaction index Kundenzufriedenheitsindex

Es gibt dabei ein Problem: den meisten Kunden fällt es schwer schwer, die Wichtigkeit verschiedener Faktoren differenziert einzuschätzen. Das führt oft zu einer Inflation der „sehr wichtig“. Zumal Sie wahrscheinlich keine unwichtigen Fragen stellen werden. Sie können dem entgehen, indem Sie die Wichtigkeit nicht erfragen, sondern sie mit multipler Regression berechnen. Stellen Sie sich vor, ein Kunde gibt Ihnen für die Gesamtzufriedenheit eine schlechte Bewertung. Bei den weiteren Antworten sehen Sie, dass er zufrieden war mit der Höflichkeit und dem Wissen des Mitarbeiters, aber er war unzufrieden mit der Antwortzeit. Die Antwortzeit ist also (vermutlich) der Grund, warum er insgesamt unzufrieden war. Das finden Sie mit multipler Regression heraus. Auch das ist nicht fehlerfrei, denn Sie müssen die richtigen Fragen stellen.

Vergleichswerte

Der American Customer Satisfaction Index (ACSI) misst die Zufriedenheit in vielen Branchen. Ähnliche Vergleichsstudien gibt es für UK, Schweden und Norwegen (Swedish / Norwegian Customer Satisfaction Baromter). Für Deutschland habe ich keine Vergleichswerte gefunden.

Auch beim Customer Satisfaction Score gilt, dass Sie nicht nur den Mittelwert betrachten sollten, sondern auch die Extreme. Kunden erleben keine Mittelwerte, sondern einzelne Ereignisse.

Würden Sie unseren Kundenservice weiterempfehlen? Der Net Promoter Score

Auch ein sehr zufriedener Kunde ist nicht unbedingt begeistert. Begeisterung wächst über längere Zeit oder sie entsteht spontan, wenn der Kunde etwas großartiges erlebt. Ein begeisterter Kunde wird wahrscheinlich treuer sein, als ein zufriedener, und er wird Sie wahrscheinlich an andere empfehlen. Ein zufriedener Kunde wird Sie vielleicht empfehlen und ein unzufriedener sicherlich nicht.

Die Bereitschaft, Sie zu empfehlen, misst der Net Promoter Score (NPS) (2). Die Frage an den Kunden ist: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie unseren Kundenservice einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?“. Der NPS wird immer wieder kritisiert, weil er nicht tatsächliche Empfehlungen misst, sondern nur die Absicht dazu. Auch gibt es Untersuchungen, dass er mit dem Unternehmensumsatz korreliert, und solche, dass er nicht korreliert. Zumindest scheint es nicht so einfach zu sein, dass ein hoher NPS immer zu gutem Wachstum führt. Dazu wird das Wachstum eines Unternehmens von zu vielen Faktoren beeinflusst. Es ist vermessen zu denken, man könne mit nur einer einzigen Zahl, wie dem NPS, ein Unternehmen steuern.

So messen Sie den Net Promoter Score

Die Skala reicht von 1 (sehr unwahrscheinlich) zu 10 (sehr wahrscheinlich). Manche Unternehmen messen statt dessen von 1 bis 5. Beim NPS verwenden Sie auf jeden Fall eine numerische Skala, da die Skala nicht symmetrisch ist. Jene Kunden, die eine 9 oder 10 vergeben haben, sind die Fans (Promoter). Kunden, die eine 7 oder 8 gegeben haben, sind passiv. Bei Ergebnissen von 6 oder niedriger, haben Sie einen Kritiker (Detractor) vor sich. Diese schiefe Verteilung wird in dem Original-Artikel von Reichheld leider nicht begründet und eine akademische Publikation dazu gibt es auch nicht. Ich vermute, dahinter steckt ein Antwort-Bias, denn tendenziell geben viele leicht unzufriedene Menschen eher eine etwas bessere Antwort als sie fühlen. Das kann auf sozialer Erwünschtheit beruhen oder darauf, dass sie niemanden verletzen wollen. Die wirklich verärgerten sortieren sich oft bei 1-2 ein.

Um es den Kunden etwas leichter zu machen, sich auf der Skala zu orientieren, sollten Sie die Endpunkte mit „sehr unwahrscheinlich“ und „sehr wahrscheinlich“ benennen. Sonst wird manchmal nach deutschen Schulnoten bewertet (also falsch herum).

Der NPS berechnet sich wie folgt:

NPS = % Promoter – % Detractor
= (Anzahl Promoter – Anzahl Detractor) : (Zahl aller beantworteten Fragebögen)

Anders als oft gesagt, gehen die Passiven durchaus in die Berechnung ein, da sie in der Gesamtzahl der beantworteten Fragebögen enthalten sind. Jeder Passive wird den NPS ein wenig senken. Erst bei einer großen Zahl von Antworten fällt das kaum noch ins Gewicht. Bei einer kleinen Zahl von Fragebögen zeigt der NPS starke Ausschläge nach oben und unten mit jeder neuen Antwort, die eingeht, einschließlich der Passiven. Stärker als der Customer Satisfaction Score und der Customer Effort Score, die als Mittelwerte der eingegangenen Antworten weniger stark schwanken. Sinnvoll nutzen können Sie den NPS daher nur, wenn Sie ausreichend viele Antworten bekommen. In meiner früheren Firma sammelten wir immer mindestens 30 Antworten, bevor wir Schlußfolgerungen zogen.

Vergleichswerte

Der Net Promoter Score ist DIE Kennzahl zur Kundenbegeisterung, die sich international durchgesetzt hat. Wenn Sie nur eine Kennzahl messen wollen, dann diese. Es gibt immer wieder Vergleichsstudien zum NPS in verschiedenen Branchen und Regionen. Lesen Sie sie, aber lassen Sie sich nicht verrückt machen. Jede Branche und jede Region hat ihre Eigenarten und so sind die Werte oft schlecht vergleichbar. Dazu kommt, dass der NPS bei vielen passiven Antworten den gleichen Wert ergeben kann, wie bei einer starken Polarisierung mit vielen Fans und Kritikern:

50% Promoter – 45% Detractor = 5 = 5% Promoter – 0% Detractor (also 95% Passive)

Der reine Wert sagt Ihnen daher nicht, was dahinter steckt: eine Mischung aus begeisterten Fans und verärgerten Kritikern oder einfach nur viele zufriedene Kunden. Daher ist es wichtig, dass Sie nicht nur den NPS betrachten, sondern auch die Verteilung der Fans, Passiven und Kritiker.

Auch hängen die Ergebnisse davon ab, wann Sie welchen Kunden befragen und wie die Fragen genau formuliert sind. Wichtiger als ein Vergleich mit anderen Firmen ist, den eigenen NPS über die Zeit zu verfolgen: steigt er oder sinkt er? Wie verändert er sich über mehrere Monate?

Der Fragebogen

Wenn Sie Kundenbefragungen zur Steuerung des Kundenservice verwenden wollen, befragen Sie Ihre Kunden am Besten nur wenige Tage nach dem Kontakt, solange Sie noch frisch im Gedächtnis sind. Ob Sie die Fragen am Telefon stellen, einen Fragebogen in die Hand drücken oder ob Sie ihm eine Online-Umfrage schicken, hängt von Ihrer Branche und Ihren Kunden ab. Es gibt einfach zu nutzende Plattformen, wie Polldaddy oder Surveymonkey, die Sie kostenlos oder für wenig Geld nutzen können. Die Berechnung können Sie leicht in einem Tabellenkalkulationsprogramm wie Excel, Numbers oder Libre Office Calc machen. Jede dieser Befragungen können Sie machen ohne dass es Sie etwas kostet — ausser Zeit.

Eine Regel gilt immer: halten Sie den Fragebogen kurz! Wurden Sie schon mal von einem Marktforschungsinstitut angerufen und der angeblich ganz kurze Fragebogen war endlos? Noch dazu bestand der Mensch am anderen Ende darauf, jede Frage komplett vorzulesen (weil der Anruf aufgenommen wurde)? Meine Nerven strapaziert das immer aufs Äußerste. Ein Fragebogen darf nicht länger als 2 Minuten dauern, oder ich muss das Thema wirklich wichtig finden. Sonst breche ich ab.

Daher entschieden Sie sich, was für Ihren Kundenservice jetzt zur Zeit die wichtigste Kennzahl ist, um Ihnen und dem Management strategisch wichtige Informationen zu geben. Brauchen Sie den Customer Effort Score und den Net Promoter Score? Oder lieber den Customer Satisfaction Score und den Net Promoter Score? Wollen Sie zusätzlich Feedback zu einem ganz speziellen Thema, wie der Geschwindigkeit Ihres Kundenservice? Was genau macht Ihnen Sorgen: die Zeit bis zur ersten Antwort oder die gesamte Zeit, in der eine Anfrage geschlossen wird? Je spezifischer Sie Ihre Fragen stellen, desto besser können Sie die Antworten auswerten. Vergessen Sie aber nicht, mindestens eine offene Frage zu stellen. Zum Beispiel: „Was können oder sollten wir besser machen?“

Stellen Sie mehr Fragen

Stop — habe ich nicht eben geschrieben, dass der Fragebogen so kurz wie möglich sein sollte? Und jetzt sage ich, dass Sie mehr Fragen stellen müssen?

Ja, denn keine der drei Kennzahlen sagt Ihnen, was Sie ändern müssen. Ein schlechter Wert sagt Ihnen nur, dass Sie etwas ändern sollten. Er sagt Ihnen nicht, was. Geben Sie daher Ihren Kunden Gelegenheit, ihre Antwort zu erklären. Stellen Sie eine offene Frage: „Erzählen Sie uns, was für Sie einfach oder was aufwendig war.“ Oder erzählen Sie uns, was wir besser machen können.“ So erfahren Sie, welches Verbesserungspotential Ihre Kunden in Ihrem Kundenservice sehen. Erst dann können Sie mit den Kennzahlen das Geschäft steuern.

In Ergänzung zu der offenen Frage können Sie ein paar (= wenige) Fragen zu Ihrem Kundenservice stellen, die die Kunden wieder mit einer 15 oder 1-10 Skala beantworten können. Welche Fragen Sie stellen sollten, hängt von Ihrem Geschäft und Ihren Herausforderungen ab. Sie können fragen, wie zufrieden der Kunde mit der Zeit bis zur ersten Antwort (oder bis zur endgültigen Antwort auf seine Anfrage) war, wie zufrieden er mit der Kompetenz des Mitarbeiters war oder wie zufrieden er mit der Höflichkeit war. Beschränken Sie sich auf 3-4 Fragen, nicht mehr! Der gesamte Fragebogen sollte höchsten 7-8 Fragen enthalten.

Fragen Sie auf keinen Fall etwas, das Sie selber in Ihrer Datenbank herausfinden können. Verkneifen Sie sich die Frage, wann der Kunden zuletzt etwas bei Ihnen gekauft hat, welches Produkt er am häufigsten oder am liebsten kauft, etc. Verschwenden Sie nicht Ihren kostbaren Platz für solche Fragen. Die Antworten helfen Ihnen nicht, den Kundenservice zu steuern. Und sie helfen Ihnen auch nicht, dem Kundenservice mehr Aufmerksamkeit im Management zu verschaffen. Das sind Marketing- und Vertriebs-Fragen — legitim und wichtig, aber nicht auf Ihrem Fragebogen.

Wie viele Kunden antworten?

Die ehrliche Antwort ist: es kommt darauf an. Auf die Branche, auf die Kunden und ihre Verbindung zu Ihrer Marke, auf die Region. Ich kenne Antwortraten von 10-30% der verschickten Online-Fragebögen. Am Telefon bekommen Sie sicherlich bessere Antwortraten. Aber Sie ärgern auch mehr Kunden, die nur zu höflich sind, Nein zu sagen.

Eine Faustregel ist: wenn nur sehr wenige Kunden antworten, dann haben Sie viele passive Kunden. Sie fühlen sich nicht mit Ihnen verbunden und sie sind einigermassen zufrieden, aber nicht begeistert. Aber auch nicht verärgert. Oft nehmen sich nur die begeisterten und die verärgerten die Zeit für Ihren Fragebogen. Oder die Kunden sehen nicht, dass sie mit ihren Antworten etwas verändern können. Ich beantworte viele Fragebögen, weil ich sehen möchte, wie Firmen ihre Kunden befragen. Die meisten (!) breche ich nach wenigen Fragen ab, weil die Firma von mir nur bestätigt haben will, dass sie toll ist, aber kein echtes Interesse an meiner Antwort zeigt. Kunden spüren so etwas, wenn sie den Wortlaut der Fragen lesen und die Optionen, die sie zur Beantwortung bekommen.

Als ich früher selber täglich die Kundenumfragen für meine Abteilung ausgewertet habe, habe ich jeden Kunden mit einer kritischen Antwort kontaktiert. Viele waren überaus erstaunt, dass ich mir die Zeit nahm. Sie gingen davon aus, dass niemand ihre Antwort lesen würde. Dennoch hatten sie geantwortet, weil sie darin einen Weg sahen, ihre Kritik zu äußern. Ein wenig hofften sie doch, dass jemand sich darum kümmern würde.

Verschaffen Sie Ihren Kunden Aufmerksamkeit

Keine der drei Kennzahlen reicht aus, um den Kundenservice zu steuern, denn das geht nun mal nicht mit einer einzelnen Zahl (3). Doch sie sind eine gute Basis, um eine Strategie für Ihren Kundenservice zu entwickeln. Und Sie sind wichtig für das Management. Wenn es in Ihrem Unternehmen noch kein Programm gibt, um Kundenzufriedenheit zu messen, dann fangen Sie an. Werden Sie zum Pionier, der die Kunden wieder dorthin rückt, wo sie hingehören: ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Wenn Sie mehr über Kennzahlen im Kundenservice wissen wollen, dann abonnieren Sie meinen E-Mail Newsletter. Ein- oder zweimal im Monat veröffentliche ich einen Artikel zum Kundenservice. Mit praktischen Tipps, die Sie gleich umsetzen können. Damit auch Sie Ihre Kunden verzaubern!

Lesen Sie auch

Service-Kennzahlen Teil 2: Servicequalität messen – geht das?

Service-Kennzahlen Teil 3: Servicequalität messen: so geht es in der Praxis

Service-Kennzahlen Teil 4: Leistungsmessung im Service

* Das Management ist die Geschäftsführung oder die Senior Manager, an die Sie berichten. Das kann der Director of Customer Service sein, der Präsident der Division oder der Vorstand.

Quellen

1 Matthew Dixon, Karen Freeman und Nicholas Toman (2010): Stop trying to delight your customers, Harvard Business Review.

Der sehr interessante Artikel argumentiert mit Forschungsdaten der Autoren. Die statistische Analyse dahinter wird jedoch nicht gezeigt. Der Artikel ist keine wissenschaftliche Publikation.

2 Fred Reicheld (2011): The ultimate question 2.0, Bain & Company Publishers

3 John H. Fleming (2006): A popular idea that’s dead wrong. Gallup Business Journal.

Bild von Shareheads, Flickr unter Creative Commons CC BY 2.0 Lizenz

3. August 2023

4 Antworten auf "Kundenzufriedenheit messen: so geht es"

  1. Hallo!

    Endlich mal eine deutsche Kundenservice Bloggerin, die weiß, wie wichtig begeisterte und nicht nur zufriedne Kunden sind. Danke für den ausführlichen Guide!

    Liebe Grüße
    Nadine

    PS: Kleiner Tippfehler: „Würden Sie unserem Kundenservice weiterempfehlen?“ (unseren) 😉

    • Hallo Nadine,

      Danke für das Lob. Demnächst gibt es einen Artikel zu den Kennzahlen für die operative Steuerung des Kundenservice. Ebenso ausführlich.

      Den Tippfehler habe ich korrigiert. Auch noch in einer Überschrift, wie peinlich. Danke für den Hinweis.

      Liebe Grüße,
      Wiebke

  2. Liebe Wiebke,

    ein sehr interessanter Beitrag, der auch die Problematiken aufgreift und thematisiert. Können Sie mir sagen wie ich an den Artikel Fred Reicheld (2011): The ultimate question 2.0, Bain & Company Publishers herankomme? Ich würde diesen gern für meine Doktorarbeit lesen.

    Viele Grüße

    Sebastian Schulz

    • Hallo Sebastian,

      das Buch von Fred Reichheld können Sie im Buchhandel bestellen. Bei Amazon finden Sie es auch gebraucht für wenig Geld. In einer Unibibliothek werden Sie es leider eher nicht finden.

      Viele Grüße,

      Wiebke Wetzel

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